Page 66 - Festschrift 2021
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Unterwegs als Schiedsrichterin
Relativ spät, mit 25, hatte ich mich entschlossen, Schiedsrichterin zu werden. Ich hatte zwar selbst
nie Fußball gespielt, war aber schon lange begeisterter Fußballfan. Meine kleine Schwester hatte
schon früher mit dem Pfeifen angefangen und den Gedanken, 90 Minuten lang die Konzentration
ausschließlich auf das Spiel zu legen, fand ich höchst interessant, so dass ich mich schließlich
auch entschloss, im Herbst 2015 die Prüfung abzulegen.
Mein Ziel war es nie, große Karriere als Schiedsrichterin zu machen, sondern vor allem den Kindern
das Spielen mit einer echten Spielleitung zu ermöglichen. So pfiff ich in meiner Anfangszeit vor
allem D-Jugend-Spiele. Da fiel schnell auf, dass das Verhalten der jungen Spieler meistens sehr vor-
bildlich war. Wenn Mannschaften schwierig waren, dann war das meist das Spiegelbild ihrer Trai-
ner. Unruhe bei Jugendspielen kommt dagegen vor allem von den Eltern, die oft kein gutes Vorbild
für die Kinder sind. Nicht nur, indem sie Anweisungen aufs Spielfeld rufen und damit dem eigenen
Trainer Probleme bereiten, sondern indem sie selbst auf diesem Niveau schon die Entscheidungen
der Schiedsrichter in Zweifel ziehen.
Ab 2018 war ich dann vor allem im Herrenbereich als Schiedsrichterassistentin bei Kreisligaspielen
im Einsatz. Und da fiel schnell am Negativsten auf, dass die Anfahrtswege und damit verbunden
der Zeitaufwand, den dieses Ehrenamt in Anspruch nimmt, enorm sind. Teilweise bis zu sieben
Stunden für ein Kreisligaspiel außer Haus zu sein, ist für eine Mutter von zwei kleinen Kindern kaum
zu stemmen. Auch hier ist mir aufgefallen, dass die Spieler eigentlich relativ wenig Probleme ma-
chen. Natürlich wird da auch mal über Entscheidungen gemotzt, aber ich hatte stets den Eindruck,
dass diese Beschwerden völlig geschlechtsunabhängig vorgetragen werden. Eher zum Schmun-
zeln sind die Kommentare von den Spielerbänken, wenn man als Frau im Vorbeilaufen nach der
Handynummer gefragt wird. Wie bei den Jugendspielen sind auch bei den Einsätzen im Herren-
bereich die Zuschauer das größte Ärgernis und hier hat man tatsächlich gezielt frauenfeindliche
Kommentare an den Kopf geschmissen bekommen. Sprüche wie „Wo ist deine Handtasche“ oder
„Geh nach Hause was kochen“ zeigen leider eindeutig, dass die männlichen Zuschauer einem weib-
lichen Schiedsrichter weniger Kompetenz zugestehen, ein Fußballspiel zu leiten, als männlichen
Schiedsrichtern. Wichtig ist, sich davon aber nicht provozieren und schon gar nicht ablenken zu
lassen, bei blöden Sprüchen aus Reihen der Spieler aber durchaus auch mal bestimmt zu reagieren
und klare Grenzen zu ziehen.
Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Mädchen und Frauen zur Pfeife greifen, damit es auch
für Spieler und Zuschauer zur Selbstverständlichkeit wird, dass Frauen pfeifen. Allgemein würde
ich mir aber vor allem wünschen, dass den Schiedsrichtern mehr Respekt entgegengebracht wird
wie zum Beispiel beim Handball oder Eishockey, wo kaum gemeckert wird, auch weil dort sehr
schnell empfindliche Strafen ausgesprochen werden. Und schließlich sollten die Schiedsrichtersät-
ze auch in unteren Ligen dem Umstand angepasst werden, dass hier ganze Tage geopfert werden
und ohne Schiedsrichter kein Spielbetrieb möglich wäre.
Katharina Fleißner
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